"Katzenführerschein" für den Artenschutz?

Der Landesjagdverband von Schleswig-Holstein fordert die Einführung eines Katzenführerscheins. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.  Hier der NDR Artikel vom 18.4.: Artenschutz: Braucht Schleswig-Holstein einen Katzenführerschein?

In dem Artikel gibt es zwei Lager: 

Geschäftsführer Marcus Börner vertritt die Interessen des Landesjagdverbandes und argumentiert, dass in Schleswig-Holstein geschätzt 75.000 verwilderte Hauskatzen den Bestand von Wildtieren gefährden würden. Ein Sachkundenachweis in Form eines Katzenführerscheins würde seiner Meinung nach zu einer verantwortungsvolleren Haltung und weniger frei herumlaufenden Katzen führen.  

Landestierschutzbeauftragte Katharina Erdmann, Leiterin des Wildtier- und Artenschutzzentrums in Klein Offenseth-Sparrieshoop, sieht Schwierigkeiten bei der Umsetzung, weil es sehr viele Katzenhalter gibt. Ich bin größtenteils Ihrer Meinung.

Eine landes- oder besser sogar bundesweite Katzenschutzverordnung halte ich auf lange Sicht auch für sinnvoller. Demnach müssen Katzen vor dem ersten Freilauf kastriert, gekennzeichnet (in der Regel mit Mikrochip) und registriert sein, damit sie ihren Haltern zugeordnet werden können. Das hält die Katzen zwar nicht vom Jagen ab, verhindert aber unkontrollierte Vermehrung. Ein weiterer positiver Nebeneffekt kastrierter Katzen ist, dass sie weniger hormonell bedingtes Aggressionsverhalten zeigen, ergo seltener in Kämpfe mit Artgenossen verstrickt werden und sich seltener mit ansteckenden und tödlichen Krankheiten infizieren. Kastrierte Katzen entfernen sich außerdem nicht mehr so weit von ihrem Zuhause, jedoch trotzdem noch weiter als die "erlaubten" 200 Meter vom Wohnhaus und bleiben somit akut gefährdet, wegen "Wilderns" abgeknallt zu werden. Richtig gelesen! Das ist in Schleswig-Holstein leider erlaubt: Statistik des Grauens: 2580 Katzen in Schleswig-Holstein erschossen.

Mit einer Katzenschutzverordnung würde dennoch viel Katzenelend verhindert werden, denn verwilderte Katzen führen ohne menschliche Betreuung mitnichten ein schönes Leben in völliger Freiheit, sondern befinden sich in einem permanenten Überlebenskampf. Straßenkatzen leben nur wenige Jahre, wenn sie es überhaupt schaffen, erwachsen zu werden. Laut dem deutschen Tierschutzbund erreichen 75% der wild geborenen Hauskatzen nicht einmal ein Alter von 6 Monaten! Unterernährung und Krankheiten sind die Regel statt Ausnahme. Hier dazu mehr: Straßenkatzen in Deutschland - Deutscher Tierschutzbund e.V. 

Dass verwilderte und von Menschen unversorgte Hauskatzen die Wildtierkiller schlechthin sind, ist den Informationen des deutschen Tierschutzbundes nach womöglich nicht ganz wahr. Wahrscheinlicher handelt es sich bei den "wildernden" Katzen um solche, die regelmäßig von Menschen gefüttert werden und dadurch die entsprechende Kondition und Kraft besitzen. Sprich: Die ein Zuhause und meistens auch einen Namen haben.

 

Verbessert ein "Katzenführerschein" trotzdem etwas?

Für Hunde gibt es bereits einen, der je nach Bundesland für manche oder gar alle Hundehalter verpflichtend sein kann. Die Ausbildung für den Hundeführerschein hat einen theoretischen Teil, in dem es unter Anderem um die Haltung, Pflege, Ernährung und Erziehung, aber auch um Verhaltensweisen von Hunden geht. Da Theorie das Eine und Praxis etwas Anderes ist, wird auch eine praktische Prüfung mit Hund gemacht.

Grundsätzlich halte ich es nicht für verkehrt, wenn ein gewisses Grundwissen vorhanden ist, bevor eine Katze überhaupt einzieht. Wichtig finde ich auch eine Aufklärung über Qualzuchten und die hohen Anforderungen von Rassen, in denen exotische Wildkatzen eingekreuzt wurden (Bengalen, Savannahs usw.) Solche Katzen erfreuen sich in den sozialen Medien großer Beliebtheit und regen zu Spontankäufen an. 

Eine praktische Prüfung wie beim Hund wäre wünschenswert, ist jedoch wohl eher schwer durchzuführen. Katzen sind trainierbar, arbeiten aber längst nicht so mit Menschen zusammen wie ein Hund es tut, und schon gar nicht in für sie stressigen Situationen. Es stellt sich außerdem die Frage, wer denn die Ausbildung übernehmen und alle Katzenhalter überprüfen soll. In Deutschland werden geschätzt fast 16 Millionen Hauskatzen gehalten. Das ergibt eine riesige Anzahl an Menschen, die Katzen halten und die nirgendwo registriert sein müssen (wie bei der Hundesteuer). Wie findet man also alle Katzenhalter? Wenn ich mir die Wohnblöcke in meiner Straße ansehe, ist es nicht zu erkennen, wer eine Katze hält. Außer, es steht ein Kratzbaum am Fenster.

Es gibt in Schleswig-Holstein einige Verhaltensberater und Tierpsychologen mit Schwerpunkt Katze, die Fachwissen vermitteln könnten, jedoch kaum in der Menge, die abgedeckt werden müsste. Zumal viele von uns auch noch anderen Jobs nachgehen. Es gibt außerdem keine einheitliche Ausbildung für diese Berufe, und es wird Praktizierenden kein Sachkundenachweis nach §11 TSchG vorgeschrieben (wie bei Hundetrainern), um Katzenhalter beraten zu dürfen. Aber von ganz normalen Katzenhaltern soll eine Sachkunde verlangt werden, obwohl sie nur eine oder mehrere Katzen halten wollen oder es bereits seit 30 Jahren tun und vielleicht sogar Alles richtig machen? Wie will man das begründen?

Es gibt unter Katzenhaltern außerdem kaum ein Thema, welches emotionaler diskutiert wird als der ungesicherte Freilauf. Beführworter des Freilaufs würden ihre Katzen vermutlich trotz Aufklärung und „Katzenführerschein“ weiterhin herumlaufen lassen, weil sie die Ansicht haben, dass ihre Katzen ohne diesen unglücklich sind. Diese Ansicht teile ich selber nicht, weil ich in der Stadt wohne und der ungesicherte Freilauf für meine eigene Katze wegen der nahen Hauptstraßen lebensgefährlich wäre, und weil ich auch nicht möchte, dass sie draußen Schäden verursacht. Bei der Beratung bin ich jedoch offen für Alles. Wenn ich bei einer Kundenkatze den Eindruck habe, dass sie sich selbst mit gesichertem Freilauf (Gehege oder an der Leine) nicht wohl fühlt und ohne die absolute Kontrolle über ihr Leben leidet (Solche Fälle sind eher selten, aber es gibt sie!), dann möchte ich bei geeigneter Umgebung die Empfehlung für den ungesicherten Freilauf geben können, ohne Sorgen haben zu müssen, dass ich die Katze damit in einen Bleihagel schicke. 

 

Geht es wirklich um den Artenschutz?

Die Umsetzung der Katzenschutzverordnung und die Kastrationsprogramme von Streunerkatzen sollten unbedingt fortgesetzt werden. Da die Oberen in Berlin in letzter Zeit ja so großzügig mit Sondervermögen umgehen, wäre es für den Tierschutz von Vorteil, wenn auch der etwas von dem ganz großen Kuchen abbekäme und Kastrationsprogramme nicht ständig wegen Geldmangel abgebrochen werden müssten, sondern zügig durchgesetzt werden. Die noch unkastrierten Katzen warten nämlich nicht mit der Vermehrung. 

Die Einführung eines Sachkundenachweises / Katzenführerscheins würde vermutlich wenig an der aktuellen Situation ändern, weil Sachkunde lediglich bedeutet, dass jemand etwas in einem Lehrgang gelernt hat. Aber er ist keine Garantie, dass sich an das Gelernte (bestenfalls wissenschaftlich Fundierte) gehalten wird. Die eigenen Ansichten und Erfahrungen haben oft mehr Gewicht.

Dass Hauskatzen für potenzielle Beutetiere von der Stubenfliege bis hin zum jungen Feldhasen eine Gefahr darstellen können, ist unbestreitbar, aber sie sind bei Weitem nicht die größte Gefahr für Wildtiere. Die Zerstörung von Lebensräumen, Verknappung von Nahrung (z.B. Insekten, die Futter für viele Singvogelküken sind), der Klimawandel, Straßenverkehr und andere Eingriffe in die Natur haben einen deutlich höheren Einfluss und würden nicht verschwinden, selbst wenn man alle Katzen einsperren würde. 

Der Abschuss von Hauskatzen gehört gestoppt! Viel zu oft trifft es Tiere, die von Menschen versorgt werden. Außerdem: Wenn die Jäger so sehr um die Bestände der Wildtiere besorgt sind, warum jagen sie dann so Viele? Zwischen 2023 und 2024 wurden in S-H laut Angaben des deutschen Jagdverbandes über 37.500 Feldhasen erlegt. Ebenfalls ihr Fressfeind, der Fuchs: Über 16.300 Stück. Wer sich mal ein paar Statistiken genüsslich auf der Zunge zergehen lassen möchte, findet hier die Fakten: Deutscher Jagdverband: Statistiken für einzelne Wildarten

Wenn die Abschusszahlen in den letzten Jahren trotz der "Invasion" von Katzen also gestiegen sind und zusätzlich Raubtiere dezimiert werden, die in (Nahrungs-)Konkurrenz zur Katze stehen - tja, dann stelle ich mir doch die Frage, um was es hier wirklich geht. Ich bin nicht gegen die Jagd an sich! Verunfallte oder kranke Tiere, die nicht wieder in die Natur entlassen werden können, sollten erlöst werden, und auch wo regulierende Spitzen-Predatoren fehlen, müssen bestimmte Wildarten wie Rehe und Wildschweine dezimiert werden. Aber der Hauskatze den schwarzen Peter zuzuschieben, weil das, was sie gelegentlich erlegt, zufälligerweise auch in nicht gerade geringer Zahl von Jägern "entnommen" und zum Großteil auf den Tellern von Restaurants landet, ist alles Andere als fair. Eine solche "Dämonisierung" von Katzen gab es bereits in der Vergangenheit:

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Übrigens ist ihre gänzliche Ausrottung, die gewiß jeder Jäger und Forstwirth wünscht, da sie nicht den geringsten Nutzen, wohl aber überaus großen Schaden stiftet … sehr schwer … (BOSCH 1879) . Mäuse habe ich im Herbste mehrfach in großer Zahl im Magen von Wildkatzen gefunden, so daß diesen ein gewisser Nutzen nicht abgesprochen werden kann. Aber niemand kann leugnen, daß der Schaden bei weitem überwiegt. Der Hauptbestandteil der Nahrung der Wildkatze dürfte den größten Teil des Jahres in Nutzwild bestehen, und wenn sie auch gelegentlich Jagdschädlinge, wie Marder, Iltis, Wiesel, reißt, was aus Losung und Mageninhalt nachgewiesen ist, so schlägt das nicht zu Buch gegenüber der Dezimierung des Bestandes an Hasen, Rebhühnern, Fasanen, Auergeflügel usw. (SCHÄFF 1907)...

...In der Annahme, dass die Wildkatze überall nur noch vereinzelt vorkäme, schien man um 1880 plötzlich die Befürchtung zu haben, dass ihre Position nun von nachrückenden Hauskatzen eingenommen werden könnte. Für den Jäger des ausgehenden 19. Jahrhunderts konnte es somit ganz gleich sein, ob er eine wilde oder verwilderte Katze erlegt hat, er hat sein Revier in beiden Fällen von einer furchtbaren Geißel befreit (VON RIESENTHAL 1880).

Quelle des Zitats: Das Bild der Wildkatze im Wandel der Zeit - BUND NRW

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Mauz.

 

(Itzehoe, 24.4.2025)

© 2025 Anne - Karin Schnelle, problemkatzenberatung.de

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